Der König als "ecological inspirer", von lic. phil. René Häusler, CH-Amriswil,Vortrag vor "Tradition und Leben e.V. und "Unabhängige Ökologen Deutschlands" am 19. Juni 1999 in Frankfurt/Main
"We are far from the day, when Vives declared that the
Sovereign should be the nation's intellectual inspirer", bedauerte noch 1961
der britische Verfassungsrechtler Sir Charles Petrie.
(1) Heute jedoch können wir mit einiger Berechtigung und Freude feststellen,
daß in vielen parlamentarischen Monarchien der König oder ein Mitglied der
königlichen Familie bereits zum ökologischen Vordenker oder Vorreiter, also
zum ecological inspirer geworden ist.
Erinnert sei etwa an die diesbezügliche Rolle des Prince of Wales, die sich
u.a. im biologischen Landbau auf seinen Gütern und in Artikeln gegen die
Gen-Technologie in Nahrungsmitteln äußert oder an die tragende Rolle des
Königs von Thailand und seiner Tochter, Prinzessin Maha Chakry Sirindhorn,.
die sich u. a. in der biologisch korrekten Wiederaufforstung eines Teils des
thailändischen Regenwalds niederschlägt.
Ferner benützen praktisch alle wichtigen königlichen Gärten in Westeuropa
biologische Pflanzenmittel und -pestizide (Mykhorrizen, Bakterien) für ihre
Pflege. Sie setzen sich damit an die Spitze des Umdenkens von chemisch z.T.
bedenklichen, zu biologisch - unbedenklichen Pflegeprodukten in Gartenbau
und Landwirtschaft.
In Jordanien wiederum übernahm Königin Noor vor einiger Zeit die
Schirmherrschaft über den Naturpark Dana, wo versucht wird, den dringend
notwendigen Schutz der Natur mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen der
Anrainerdörfer in Einklang zu bringen. Die Schirmherrschaft der Königin half
hier Wogen zu glätten, die entstanden waren, weil die Dorfbewohner ihre
Ziegenherden immer wieder ins Naturreservat trieben, wo sie alles
kahlfressen und Autofahrer die Fahrverbote nicht beachten wollten. Die
Königin konnte schlichten und. war Vorbild, da sie den Park zu Fuß
durchschnitt. (2)
Gewollt oder ungewollt setzen die Angehörigen von Königshäusern mit diesen
Taten bedeutende Zeichen.
Dies ist bemerkenswert und animiert zum Nachdenken.
Insbesondere drängen sich folgende Fragen auf:
Wie konnte es zur Übernahme einer solchen Rollenfunktion kommen, die
schein-bar im verfassungsrechtlichen "Nirwana" liegt? Wo liegen die
Ursachen, was schuf hierfür die Voraussetzungen? Und vor allem: was sind die
Konsequenzen für den Monarchen und die Gesellschaft? Wird hier von einer
scheinbar unpolitischen Instanz ein positives Zeichen gesetzt und, wenn ja,
mit welchen Folgen?
Diese Fragen wollen wir nachfolgend kurz nachgehen.
* * *
Befassen wir uns zuerst mit der Übernahme dieser neuen Rollenfunktion, die
natürlich nirgends so definiert oder gar in der Verfassung vorgeschrieben
ist, wenngleich sie sich natürlich mit dem in vielen Verfassungen als
Aufgabe des Staates definierten "Schutz der Umwelt" trifft. Sie (also diese
neue Rolle) kann jedoch unschwer als Ergebnis eines Prozesses begriffen
werden, der bald 300 Jahre alt ist und quasi mit der "Parlamentarisierung"
und d.h. letztlich mit der Demokratisierung der Monarchie eingesetzt hat.
Ich spreche hier von der Entpolitisierung und damit letztlich
"Psychologisierung" der Monarchie, einem Thema, das ich an anderer Stelle
und in meinen Büchern und zahlreichen Artikeln eingehend behandelt habe.
Hier dazu nur folgender kurzer Exkurs:
* * *
Historisch gesehen hat sich der Parlamentarismus wie Sie wissen, aus einem
Gegensatz zwischen Regierung und Parlament entwickelt, aus dem Gedanken
heraus, die Regierung unter die Kontrolle eines Parlamentes zu bringen.
Nach einer durch Ludwig XIV. 1653 in Frankreich abgewürgten
Entwicklungslinie (vom Königsgericht "Parlement du Roi", das die
Königsgesetze registrierte, zum richterlichen Prüfungsrecht") wurde
diesbezüglich erfolgreichere Pionierarbeit in England geleistet, wo sich die
Anfänge des Parlamentarismus bis auf die Magna Charta von 1215
zurückverfolgen lassen. Er hat sich dort von einer ständischen zu einer
demokratischen Kontrolle der Regierung entfaltet.
Entscheidend wurde das Jahr 1689. Das englische Parlament trug damals der
Vertreibung des Stuartkönigs Jakob 11. 1688 (Glorious Revolution), Maria und
Wilhelm III. von Oranien die Krone an. Schon die Tatsache, daß diese auf
Grund eines Parlamentsbeschlusses den Thron bestiegen, mußte im Verhältnis
zwischen König und Parlament letzterem von nun an ein starkes Gewicht
verleihen. Zudem geschah diese Berufung unter den Bedingungen, die man in
der Declaration of Rights (1689) formuliert hatte. Dieses als Bill of Rights
zum Gesetz erhobene Dokument band den König in das Recht. Das Parlament
sollte als gesetzgebendes und kontrollierendes Organ Gegengewicht der
vollziehenden Gewalt sein. (3)
Daraus entwickelte sich allmählich, insbesondere durch die oben
angesprochene Pflicht der Gegenzeichnung jeder Staatsakte durch einen
Minister (Contreseign) heutige Praxis, welche durch die Formel "Der König
herrscht, aber er regiert nicht" ausgedrückt wird.
Dergestalt konnte sich das Königtum in der Tat wieder auf seine ideelle
Rolle besinnen, nämlich im Sinne von Wolff-Windegg "Mitte" zu sein; nur so
ließ sich die Idee vor den menschlichen Schwächen schützen. Und wichtiger
noch: Durch diese bedeutsam staatsrechtliche Trennung zwischen Herrschaft
und Regierung konnte sich endlich auch das Verhältnis von Demokratie und
Monarchie endkrampfen. Es gewann Raum für qualitativ völlig neue
Beziehungsformen. Niemals ist dies deutlicher geworden als 1981, anläßlich
des letzten Staatsstreichversuchs in Spanien. König Juan Carlos I., der
schon kurz nach seinem Thronantritt 1975 die Demokratisierung des Landes
einleitete, zeigte in der äußerst brenzligen Situation eines militärischen
Coups Mut und unerschütterliche Verfassungstreue (was die Putschisten zu
Hochverrätern werden ließ) und rettete so die Demokratie. Diese feierte
daraufhin im König ihren Beschützer.
Aus historischem Antagonismus war eine Allianz geworden. - Eine Allianz mit
Vorbildfunktion; denn schon betonen in Bulgarien die Anhänger Zar Simeons,
daß für Bulgarien der "spanische Weg", das heißt die Rückkehr zur Demokratie
durch Einsetzung eines Monarchen, am geeignetsten sei und reklamiert
Alexander von Jugoslawien die Rolle eines "serbischen Juan Carlos" für sich.
Aber des Neuen noch nicht genug. Denn es zeigte sich zudem, daß eine
Verfassung, ursprünglich doch als Instrument gedacht, einen König in seiner
Macht zu beschränken, von eben einem solchen verteidigt wurde. Vereinfacht
gesagt, der König war vom Bewachten zum Hüter einer (demokratischen)
Verfassung geworden.
Allerdings zeigt das spanische Beispiel auch, daß der oben erwähnte Rückzug
ins Ideelle kein absoluter ist. In der Tat sehen zahlreiche Verfassungen der
bestehenden Monarchien für ihre Staatsoberhäupter noch eine gewisse
politische Funktion (z.B. formelle Ernennung des Premierministers) vor.
Virulent werden diese jedoch vor allem bei Regierungskrisen
(Pattsituationen), in denen der König in intensiven Beratungen mit den
gewählten Parteien, einen mehrheitsfähigen Premier bestimmt respektive via
"Informateuer" zu finden hilft (z.B. in Großbritannien, Belgien, den
Niederlanden) oder bei Staatsstreichversuchen, in denen der Monarch als
Oberbefehlshaber der Streitkräfte deren verfassungskonformes Verhalten
erzwingt wie zum Beispiel in Spanien 1981.
Die Frage allerdings, wieweit ein solches "Crisis-Management" oder auch
normale "Reservefunktionen des Staatsoberhauptes" (Kaltefleiter) das
Königtum mehr lasten als begünstigen, darf wohl auch gestellt werden.
Zumindest dem Ideal "Mitte" werden sie gefährlich.
Was hat es nun aber mit dieser "Mitte" auf sich?
In seinem für eingefleischte Monarchisten wohl als epochal zu bezeichnenden
Werk "Die Gekrönten - Sinn und Sinnbilder des Königtums", begreift Philipp
Wolff-Windegg das Ideal des Königtums eben aus diesem Konzept der, "Mitte".
Er stützt sich dabei einerseits auf die Forschungen Mircea Eliades, dessen
Beschreibung der sakralen Mitte ihm den Schlüssel zum Wesen des Königtum
gegeben zu haben scheint. Andererseits kann er vor allem von den
Erkenntnissen der Psychologie C.G. Jungs profitieren, die einen neuen Zugang
zum Mythos, Ritual und zum Königtum eröffnet haben. Es sind dies die
Vorstellungen vom kollektiven Unterbewußtsein und von seinen Inhalten, den
Archetypen. Ein solcher Archetyp ist der "König". Ihn versteht die
Psychologie als bestimmendes, aber unbewußtes und latentes Ordungsprinzip,
das sich, wenn es Gelegenheit findet, ins Bewußte aufzutauchen, im Bild des
Königs verdichtet. Der Traum-, der Mythen- und Märchenkönig sind
Projektionen der menschlichen Seele und symbolisieren die kosmische Ganzheit
und das menschliche Selbst. (4)
Der ideale König als "Mitte" und Gott
Das zentrale Element von Wolff-Windeggs Deutung, nämlich die "Mitte", ist
letztlich das, was alle Gegensätze zu ihrer Versöhnung fordern. Und
Gegensätze gibt es seit Anbeginn aller Schöpfung, heißen sie Tag und Nacht,
Wachen und Schlaf, Feuer und Wasser, Mann und Frau et cetera. Dem Menschen
jedoch wohnt eine tief eingepflanzte Sehnsucht nach eben jenem ruhenden
Punkt inne, in dem sich diese Gegensätze aufheben. Die Mitte ist somit
zunächst nicht eine Begebenheit, sondern seine Antwort, um des Zwiespalts
Herr zu werden. Diese Antwort wird dann aber zu einem beherrschenden Prinzip
und zum Anfang der Ordnung Oberhaupt.
Was vom einzelnen Menschen gesagt wurde, trifft auch auf die Gemeinschaft
zu. Sie braucht, um Gemeinschaft zu sein, einen Punkt, innerhalb ihrer
selbst, an und nach dem sie sich ausrichten kann. Dieser Punkt muß etwas
unmittelbar Zugängliches, Sichtbares, nicht Abstraktes sein.
Und Wolff-Windegg hält fest: "Die Gemeinschaft muß diesen inneren Punkt in
sich selber suchen und finden - wer die Mitte trägt, muß der Gemeinschaft
angehören, muß also ein Mensch, nicht ein Baum oder Stein sein. Der Mensch
nun, der zum Amt der Mitte bestimmt wird, geschehe es nun durch göttlichen
oder menschlichen Ratschluß, unbewußt oder bewußt, durch Gnade oder Kür, ist
der, den wir König zu nennen gewohnt sind. Das Königtum wird also nicht
abgeleitet aus einem mythischen oder rationalen Begriff, dem
Führungsbedürfnis der Gruppe etc-, sondern aus dem Begriff der Mitte, der
ein religiöser ist: die Antwort des Menschen auf den Horror vacui angesichts
des Zwiespalts, in dem er wohnt. Der König ist damit ursprünglich nur ein
passiver Bezugspunkt im Stammesgefüge, ein vom Allgemeinwillen
Ausgesonderter und Erhöhter - nicht zum Tun berufen, sondern zum Sein"
Dieses Ausgesordertsein manifestiert sich in der Vorstellung eines "idealen
Königs" der "ewig, allgegenwärtig und menschlichen Verfehlungen enthoben
ist. Er ist also wo nicht selber Gott ein Spiegelbild Gottes. Er ist aber
nicht eine konstruierte Fiktion, sondern eine mythische Wahrheit, nicht
nachträglich abstrahiert, sondern von Anfang an unzweifelhaft vorhanden"
(Wolff-Windegg). - Ein Urbild, ein Archetyp eben und als solcher auf die
logische Sanktion nicht angewiesen.
Selbst als im Laufe der Geschichte der mythische Gehalt dieses Vorbildes zu
zerfallen drohte, wurde der ideale König als gedankliches Konstrukt wieder
bemüht. Doch auch dieses mußte einen metaphysischen Grund haben, das heißt
eine außerhalb des Politischen oder Juristischen liegende Ursache, eine, die
das Heilige noch immer wenigstens berührte.
Ein solch metaphysischer Grund bot sich im Begriff der Gottesunmittelbarkeit
an, wie er zur Zeit des Absolutismus das Königtum stützte. So hieß es etwa
im englischen Königtum des 16. Jahrhunderts unter anderem: "Seine (des
Königs) rechtliche Autorität ist absolut und unwiderstehlich; er ist Diener
und Stellvertreter der Gottheit, alle unterstehen ihm, er aber untersteht
allein Gott..." (5)
Daß diese Aura des Göttlichen auch den heutigen Monarchen immer noch
anhaftet und tief in den Herzen der Menschen weiterwirkt, wurde 1981 in
Spanien überdeutlich. Ein General, der einige Zeit nach dem mißglückten
Staatsstreichversuch von einer deutschen Zeitschrift nach den Gründen
befragt wurde, warum er mit seinen Panzern nicht die Putschisten
unterstützt, sondern dem König gehorcht habe, gab sinngemäß die bezeichnende
Antwort, einem Präsidenten hätte er sich wohl nicht gefügt, aber gegen einen
König hätte er sich nicht versündigen wollen, denn ein König stehe unter dem
Schutze Gottes. Selten zuvor hatte der königliche Mythos wohl
entscheidendere Konsequenzen für eine Demokratie gehabt. Peregrine
Worsthorne, ehemaliger Chefredaktor des Sunday Telegraph, empfindet die
Anwesenheit der Königin (Elisabeth II.; d.V.) folgerichtig auch als
religiöses Erlebnis, "beinahe so wie bei einem Gottesdienst in der Kirche,
da in den Augen der Königin alle Untertanen gleich sind, so wie alle
Kirchgänger vor Gott gleich sind".(6)
Nun kann das demokratische Königtum jedoch nicht nur psychologisch
hergeleitet oder interpretiert werden, respektive seine Faszination beruht
nicht nur auf diesen, zum Teil eher unbewußt wirkenden Komponenten. Vielmehr
nehmen heute die Königinnen und Könige in ihren Ländern ganz eigentlich
symbolische, soziokulturelle und damit letztlich auch "psychologische"
Funktionen wahr, die zwar nicht unbedingt in der Verfassung aufgezeichnet
sein müssen, um so mehr jedoch von den emotionalen menschlichen
Bedürfnissen, die in den modernen, rational-funktionalistischen,
technikorientierten und zunehmend emotionsärmeren Gesellschaften vielfach zu
kurz kommen, dringend ersehnt werden.
Als eine solche, wohl eher als sozio-kulturell, denn als psychologisch zu
bezeichnende Funktion und Rolle muß wohl auch diejenige des "ecological
inspirer" gesehen werden. Sie streift mehrere meiner im Buch "Herrscher der
Herzen" aufgezählten Rollen, ja, kann als eigentliche Schnittmenge davon
konzeptualisiert werden. Am deutlichsten manifestiert sich darin aber wohl
jene des "Vorbilds", zu der ich 1998 folgendes geschrieben habe. Ich
zitiere:
i) Die Vorbildsfunktion - Der Köng als moralische Autorität und Inbegriff
der Glaubwürdigkeit
Eine erfolgreiche Funktion als Stabilitäts- und Integrationsfaktor (übrigens
eine der wichtigsten modernen Rollen des Königs) jedoch setzt absolute
Glaubwürdigkeit voraus. Da der König durch die Erbfolge automatisch und
nicht durch eine Wahl zu seinem Amt gelangt, muß er sich auch keiner
politischen Partei verpflichtet fühlen, worauf insbesondere Exkönig Simeon
II. von Bulgarien hinweist. Der von vielen Kritikern dem Institut der
Monarchie oft vorgeworfene (aber durchaus bestreitbare) Makel der nicht
existierenden demokratischen Sanktion mag gerade dadurch zum Vorteil der
ganzen Bevölkerung gereichen, denn der König ist außer seinem Lande
niemandem verpflichtet. Seine Person ist nicht mit leeren oder dem Lande
teurer zu stehen kommenden Wahlversprechen belastet.
Für die engagierte rumänische Bürgerrechtlerin Dina Comea ist auch von daher
die Wiederrichtung der Monarchie in ihrem Lande die einzig wahrhafte
Alternative zum Kommunismus. Mit Exkönig Michael, der bekanntlich seinen
Wohnsitz in der Schweiz hat, steht sie in häufiger telefonischer Verbindung.
"Seine Redlichkeit", so bekannte sie im Juli 1991 in einem Interview, "ist
die Garantie für die Reinigung der rumänischen Gesellschaft".
Exkönig Michael selbst hat schon früh auf die unmenschlichen Zustände in
seiner Heimat aufmerksam gemacht. Gegenüber einem Westschweizer Journalisten
hat er im Mai 1989 das Regime Ceausescus in deutlichen Worten gebrandmarkt.
"Il ne s'agit plus seulement de communisme, mais d'un despotism'e, à la fois
imbécile et méchant".
Die vorhin erwähnte Vorbildfunktion wird vom König und seiner Familie jedoch
auch im Privatleben erwartet, was erhebliche Ansprüche an Charakter und
Geschick des Monarchen stellt. Sie verlangt, wie Prélot sagt, "que le
monarque et sa famille aient un comportement exemplaire ... que la
réputation de la famille royale soit gardée avec soin".
Dies wurde vom kürzlich verstorbenen belgischen König Baudouin I. geradezu
paradigmatisch vorgelebt, dessen Leitsatz lautete: "König sein heißt der
Wahrheit dienen."
Im Gegensatz zu ihm taten sich damit vor einiger Zeit, wie wir wissen,
verschiedene Mitglieder des britischen Königshauses recht schwer.
Jedoch ist Rose und Kavanagh wohl recht zu geben, wenn sie in ihrer
Studie "The Monarchy in Contemporary Political Culture" 1976 bemerken:
"Today, the rise of permissiveness in every Western society presumes that no
one - priest, landlord, or monarch - can define standards of conduct that
must be accepted by everyone. If anything, it appears that a reigning
monarch is expected to be a symbol of morality that is being abandoned,
setting a standard for admiration because such behavior is rarely found in
the working-day world".
(7)
Wie entscheidend das Gewicht moralischer Autorität jedoch sein kann, konnte
1992 wieder in Thailand festgestellt werden, als König Bhumipol zum zweiten
Mal nach 1973 sein an sich unpolitisches Amt in die Waagschale warf, um die
Unruhen zu beenden. Den involvierten Politikern, die vor ihm knieten, gab er
zu bedenken, daß Thailand nicht ihnen gehöre, sondern allen Thais. Was für
einen Sinn habe es, wenn einer seinen Sieg auf den Ruinen der Nation
durchsetze, fragte der Monarch zu Recht. Das Volk habe genug gelitten, gab
er zu bedenken, und eben dieses konnte die ganze Szene im Fernsehen
mitverfolgen. Königtum und moderne Kommunikationstechnik im Verein zum
Schutz von Demokratie und Volk. In diesem Handeln liegt vielleicht der
Ansatzpunkt für eine neue Theorie der Monarchie, nämlich politisch zu
wirken, ohne politisch zu sein" (8)
Angesichts der zum Teil jedoch geradezu bedrohlichen Ignoranz gewisser
politischer Kreise vor den Folgen unseres unbedachten Umgangs mit der Natur,
könnte die ökologische Rolle des Königs jedoch bald auch eine deutlichere
Zeichensetzung gegen gewisse Gesetze oder Anbaumethoden erfordern, was dann
wohl den Zorn gewisser Politiker auslösen würde und damit unter die
Kategorie "Der König als Gewissen der Nation"
"In dieser Funktion beweist der König menschliche Größe und Zivilcourage
jenseits opportunistischer Überlegungen. Unabhängig davon, ob die von ihm
vertretene Meinung oder begangene Handlung populär oder den Politikern
willkommen ist, setzt er sich für seine Überzeugungen ein. Kurz vor Beginn
des Jubeljahres 1991 (40. Jahrestag der Thronbesteigung) entband sich zum
Beispiel der belgische König Baudouin I. für ein paar Stunden von der
Regentschaft, um das neue belgische Abtreibungsgesetz, das seinen strengen
Vorstellungen von Ethik und Moral widersprach nicht unterschreiben zu
müssen. Der spanische König Juan Carlos I. wiederum setzte sich 1981
praktisch unter Lebensgefahr für die Demokratie ein, und am 23. Mai 1994
nahm in Los Angeles Exkönig Simeon von Bulgarien an der Ehrung für seinen
Vater, Zar Boris III., durch die dortige jüdische Gemeinde teil. Der Zar
hatte kurz vor seinem Tod 1943 der von den Nazis angeordneten Deportation
von 50.000 Juden seines Heimatlandes nach Treblinka einen Riegel
vorgeschoben und sie damit vor dem sicheren Tod gerettet. Der Einsatz König
Bhumipols von Thailand zugunsten von Demokratie und Menschenrechten wurde
bereits weiter oben erwähnt" (9)
Während wir somit die politischen rsp. historischen Ursachen und
Voraussetzungen für die Übernahme einer solchen Rolle geklärt haben, bleibt
noch die Frage, was wohl den Monarchen selbst hierzu bewegt. Nun ich denke,
nebst einem vielleicht sogar religiös motivierten Verpflichtungsgefühl zum
Schutze der Schöpfung, das vor allem bei den christlichen Königen aus ihrer
historisch engen Verbindung zu Religion und Kirche vermutet werden darf,
sind es auch Gründe der Vernunft und der Einsicht, die einem
generationsübergreifenden Sichtwinkel entspringen. Könige können sich noch
den Luxus leisten, an die nächste Generation zu denken. wogegen Politiker
oft nur den Horizont der nächste Wahl und die Lobby der Wahlspender vor
Augen haben. Sie geben zwar aufrüttelnde Bücher zur Umwelt und den drohenden
Katastrophen heraus, wie etwa der amerikanische Vizepräsident Al Gore, doch
leben sie ihren eigenen Aufrufen zur Um- und Einkehr nicht nach oder setzen
sich für die Umsetzung ihrer Ideen aus opportunistischen Gründen nicht ein.
Worte sind eben wohlfeil und Taten zu anstrengend rsp. es gibt
Abhängigkeiten, denen der Politiker nicht entkommt, in denen er oft wider
bessere Überzeugung gefangen ist.
Dem ist der König enthoben.
Eine weitere Rolle, in die der "ecological inspirer" ebenfalls hineingreift,
ist wohl diejenige des Königs als "Hirte" und "Verteidiger des Gemeinwohls".
"Gerade in repräsentativen Demokratien, in denen den Parteien eine wichtige
Rolle im politischen Prozeß zukommt, ist die Versuchung groß,
Parteiinteressen über diejenigen des Gesamtwohls zu stellen. Hier kann der
König als übergeordnete politisch neutrale Instanz mahnend wirken und
wachen. Schon Thomas von Aquin hielt dazu in seiner von Aristoteles
beeinflußten Schrift "Von der Herrschaft der Fürsten" fest, daß zum Begriff
des Königs gehöre, "...einer zu sein, der anderen als Herr vorgesetzt ist
und doch wie ein Hirte wirkt, indem' er das Gemeinwohl der Gesellschaft,
nicht aber seinen eigenen Vorteil im Auge hat".
Um diesem Anspruch jedoch auch in der Realität genügen zu können, muß der
König durch Erbe auf den Thron gelangen. Dies jedenfalls war, die Meinung
Lorenz von Steins. Er argumentierte, daß ein auf Zeit Gewählter Monarch
ständig um seinen Status fürchten müsse. Von der Gesellschaft abhängig,
könnte er zu Mitteln greifen, um seine Stellung zu halten. In einer
Erbmonarchie existiere dieses Risiko nicht.
Nur aus einer Über- und Unabhängigkeitsposition heraus sei der König in der
Lage für das Gemeinwohl einzutreten, meinte von Stein". (10)
Eine intakte Umwelt ist sicher im Interesse des Allgemeinwohls, denn sonst
könnten wir eines Tages wichtige Grundstoffe des Lebens, sauberes Wasser,
saubere Luft, giftfreie Böden und ebensolche Nahrungsmittel etc. nicht mehr
zur Verfügung haben. Somit greift diese Rolle des Königs ganz eigentlich in
unser aller biologische Existenz.
Und damit, und ich denke dies ist durchaus keine Spekulation, verläßt die
Rolle des "ecological inspirer' ganz klar den rein sozio-kulturellen, wenn
sie so wollen eher unpolitischen Bereich und wird hochpolitisch - auf
nationaler wie internationaler Ebene.
Dies kann aber nicht ohne Folgen für die Institution der Monarchie und für
den Monarchen bleiben.
Bevor wir auf diese Problematik näher eintreten, gestatten Sie mir noch kurz
einen Blick auf die restlichen sozio-kulturellen rsp. psychologischen Rollen
des Königs, die ich für mein Buch zusammengetragen habe, für alle jene, für
die diese Sichtweise der königlichen Aufgaben noch neu ist. Es handelt sich
dabei zusammengefaßt um folgende Rollen:
a) Die Inkarnation staatstragender Prinzipien
b) Die Integrationsfunktion - Lebendiges Symbol für Einheit und Stabilität
c) Der König als stabiler Orientierungspunkt
d) Der König als nicht-politischer Garant politischer Autorität
e) König und Königin als Landesvater respektive -mutter
f) Der König als "Hirte" und Verteidiger des Gemeinwohls
g) Der König als nationaler "Ombudsmann"
h) Der König als Vermittler bei Streiks
i) Die Vorbildfunktion - Der König als moralische Autorität und Inbegriff
von Glaubwürdigkeit
j) Der König als Objekt der Verehrung
k) Der König als Gewissen der Nation
l) Der König als Hort des Mythos und Vollzieher von Ritualen
m) Der König als Träger der "Mitte"
n) Die Identifikationsfunktion - Der König und seine Familie als Ideale und
Sündenböcke
o) Der König als Sinnbild oder Ersatz Gottes – Die Monarchie als säkulare
Religion
p) Der König und seine Familie als gesellschaftliche Größen und überforderte
Träger des Ideals
Die ausführlichen Beschreibungen dieser Rollen finden Sie in meinem
erwähnten Buch "Herrscher der Herzen" oder auch in den Heften Nr. 4/1994 bis
Nr. 2/1995 von Erbe und Auftrag bzw. in der "Zeitschrift für
Parlamentsfragen" Nr. 3/1995 oder in dem kleinen aufgelegten Büchlein, darin
allerdings nur in Englisch. Dies kann zum Selbstkostenpreis von hier bezogen
werden.
* * *
Nun, welches könnten die vorhin angesprochen Folgen der Übernahme dieser
ökologischen Führungs- rsp. Vorbildfunktion durch den König sein?
Analysieren wir sie im Hinblick auf die folgenden 4 Dimensionen:
1. Folgen für die ökologische Bewegung
2. Folgen für die Umweltpolitik
3. Folgen für Staat und Gesellschaft
4. Folgen für das Königtum
Zu 1) Folgen für die ökologische Bewegung
Die ökologische Bewegung erhält durch so prominente Unterstützung sehr
wahrscheinlich enormen Auftrieb und eine gewisse zusätzliche bzw. höhere,
vor allem moralische Legitimität und Glaubwürdigkeit. Hier wirkt auch
Psychologisches. Wenn der Monarch hinter einer Sache steht oder ein
bestimmtes Verhalten verlebt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß dies auch
in der Bevölkerung große Unterstützung gewinnt. Zudem vermutet man hinter
königlichem Engagement keine privaten rsp. wirtschaftlichen Interessen (das
muß allerdings nicht immer so sein), sondern die das Allgemeinwohl im Auge
habende, sachliche Überzeugung. Gewisse Kreise wiederum können den Einsatz
für die Ökologie nicht mehr einfach nur als "weltfremde Schwärmerei" abtun,
wenn ihnen ökologische Bedenken ins Wirtschafts-Gehege kommen. Zudem wird
das "Fundraising" für ein ökologisches Projekt sicher erleichtert, Wenn
quasi im Namen des Königs oder eines seiner Familienangehörigen um eine
Spende gebeten wird (z.B. durch WWF-Präsident Prinz Philipp)
Die Natur wiederum profitiert von königlichen Schirmherrschaften oder
Projekten natürlich ganz besonders. Ihr Schutz (durch Parks, Reservate,
Sonderzonen) ist damit auf lange Sicht gewährleistet, rsp. leichter, sowohl
gesellschaftlich als auch politisch, durchzusetzen rsp. zu erreichen.
Zu 2) Folgen für die Umweltpolitik
Die Umweltpolitik, sofern sie ihren Auftrag ernst nimmt, profitiert sicher
ebenso vom königlichen Support. Obwohl sich der König natürlich nicht in das
politische Geschäft einmischen darf und auch nicht soll, hat auch sein
ökologisches Engagement selbstredend gewisse Implikationen zur Folge.
Vielleicht spricht er auch in einer Rede gewisse Fehlentwicklungen an, ohne
damit zwar die Regierung direkt zu kritisieren, indirekt jedoch verlangt er
damit für jedermann verständlich Änderungen, denen sich die Regierung wohl
nicht allzu lange ohne Popularitäts- und damit Stimmenverlust (die nächsten
Wahlen drohen) entziehen kann. Gute Umweltpolitik, welcher der König
wiederum für alle merkbar seine Unterstützung gewährt, verliert andererseits
schnell einmal den "Parteigeruch" und wird quasi zu einem
Parteiübergeordneten, die ganze Bevölkerung miteinschließenden, ja
vielleicht sogar begeisternden Anliegen.
Zu 3) Folgen für Staat und Gesellschaft
Die Gesellschaft kann sicher nur profitieren, da ihr langfristiges Überleben
eine kluge und vorausschauende Umweltpolitik, die durch die Unterstützung
des Monarchen zusätzlich legitimiert wird, gesichert ist. Zusätzlich wird
ihr ökologisches Orientierungsbedürfnis durch den König befriedigt. Sein
diesbezüglicher Einsatz verstärkt des Empfinden der Sicherheit über die
Richtigkeit oder Unrichtigkeit des eigenen Tuns. Gleichzeitig kann der König
mit seinem Verhalten und seinen Äußerungen dazu beitragen, daß die
Gesellschaft über die Beziehung Mensch-Umwelt (Tier, Landschaft, Ressourcen
etc.) neu nachdenkt und neue Einsichten gewinnt. Tragen z.B. er und seine
Familienangehörigen bewußt keine echten Pelze mehr, können sie kraft ihres
Einflusses einen Trend setzen, rsp. einen Standard vorgeben. Oder bezöge der
Monarch für seine Schlösser nur Strom aus unbedenklichen und emeuerbaren
Energien hätte dies sicher ungeheure Nachahmungseffekte. Der König kann
durch die auch historisch bedingte Entwicklung des Amtes (Gottesgnadentum),
ganz anders als ein Präsident, wohl ganz direkt Verhalten beeinflussen. Dies
ist bei weitem bedeutungsvoller als wenn er noch reale (politische) Macht
hätte.
Zu 4) Folgen für das Königtum
Durch den Einsatz für eine Sache, welche letztlich jedem einzelnen Menschen
zugute kommt, gewinnt das Königtum weiter an Statur und Ansehen. Ja,
womöglich an neuer Legitimität; denn wer sollte sonst, auch oder gerade in
der marktwirtschaftlich orientierten Demokratie sich für Belange stark
machen können, ohne in den Verdacht einer reinen Interessendienerei zu
eigenen Gunsten zu geraten? Natürlich besteht auch eine latente Gefahr, daß
der König sich gewissen Anfeindungen aussetzt, denn irgendjemanden tritt man
mit einem Engagement dieser Art wohl unvermeidlicherweise immer auf die
Füße. Nur, dies kann auch zur Profilierung beitragen. Aktuellstes Beispiel
hierbei ist die momentane Diskussion in Großbritannien zur Gentechnologie.
Prinz Charles hat Ende Mai in einem Artikel im Massenblatt "Daily Mail" in
die Diskussion um die Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel
eingegriffen und Zweifel an deren Notwendigkeit und Sicherheit geäußert. Er
hält auch deren Nutzen für die armen Bevölkerungen der Dritten Weit nicht
für erwiesen. Ihm bange, so schrieb er, vor einer orwellschen Zukunft, in
der "das Leben selbst industrialisiert" sei.
Damit holte er sich zwar Lob bei den Umweltschutzorganisationen wie "Friends
of the Earth", doch hagelte es Tadel von den Industrievertretern und auch
der Regierung dürfte der Artikel sauer aufgestoßen sein, da der
Premierminister Blair immer betont hat, daß er nichts gegen Gen-Nahrung auf
seiner Speisekarte habe. (11)
Wie auch immer. Mit seinem ökologischen Engagement hat das, Königtum der
Moderne einen Bereich gefunden, der ihm auch von seiner inneren Struktur her
entspricht. Es ist eine Aufgabe, die klassen- und generationsübergreifend
ist, Glaubwürdigkeit und Integrität verlangt und vor allem nicht
kurzfristig, sondern angelegt ist.
Es ist ein Bereich in dem es täglich aufs neue Vordenker und vor allem
Vorleber braucht - eben "ecological inspirer".
* * *
Die Profilierung monarchischer Personen auf ökologischem Gebiet hat erst
eingesetzt. Es ist faszinierend, die diesbezügliche Entwicklung
weiterzuverfolgen und gleichzeitig festzustellen, wie wandelbar das Königtum
doch in seiner Form ist und wie stabil in seinen Inhalten. Dies ist
ermutigend; wissen wir doch alle aus der Geschichte zumindest das Eine: Nur
was sich wandelt, bleibt. Ich danke Ihnen.
Anmerkungen:
1) Petrie, Sir Charles: The Modem British Monarchy; London 1961; S. 217
2) Vgl. Naturschutz mit Königin Noor, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr.
109,14.5. 1999, S. 75
3) Zippelius, Reinhold: Allgemeine Staatslehre; München 1978(6); S. 243 -
245
4) Wolff-Windegg, Philipp: Die Gekrönten - Sinn und Sinnbilder des
Königtums; Stuttgart 1958; S. 11 ff. 5) ib.
S.
108 - 1 10
6) Worsthorne, Peregrine: The Case for Monarchy. In:
The Queen. A Penguine Special; Harmondsworth 1977: S.188
7) Zit nach Häusler, René: Herrscher der Herzen? Vom Sinn des Königtums im
21. Jahrhundert. Die parlamentarische Monarchie als psychologische
Staatsform. Haag und Herchen, Frankfurt 1998; S 65-66