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Republik 1848

Republik 1848

Insbesondere im "Jubiläumsjahr" 1998 waren die Vorgänge vor 150 Jahren in Deutschland in aller Munde. Viele, historisch nicht haltbare Meinungen, bezüglich einer republikanischen Initiative zur damaligen Zeit, werden heute so oft repitiert, bis sie als gegebene Tatsachen von der Bevölkerung anerkannt sind.

Um diesen Bestrebungen entgegenzuwirken, hat der Historiker Prof. Dr. W. Stribrny folgenden kurzen Aufsatz verfasst. Gerne beantworten wir weitergehende Fragen zu diesem und auch anderen historischen, deutschen Themen.

Revolution 1848!

Was sagt ein Royalist und Demokrat 1998 dazu?

Schaut man in die Presse und auf den Bildschirm, durchblättert man das opulente Programm: Baden Württemberg feiert die Revolution 1848/49, drängt sich der Eindruck auf: "1848/49 wollte man die Republik. Diese Republik, wie sie die Paulskirche wollte, wurde dann 1919 und 1949 realisiert." Es wird dabei übersehen, daß die Reichsverfassung vom 28. März 1849 für das Reich eine erbliche Monarchie vorsah! Die frei, aber nach unterschiedlichen Wahlrechten der einzelnen Länder gewählten Abgeordneten der Nationalversammlung in der Paulskirche haben am 19.Januar 1849 über die Staatsform abgestimmt: 339 Monarchisten standen nur 122 Republikanern entgegen. Die Parlamentarier von 1848 waren also fast im Verhältnis 3: 1 für die Monarchie. Die Reichsverfassung vom 28. März 1849 gab dem erblichen Monarchen ein suspensives Veto im Gesetzgebungsprozeß. Der "Kaiser der Deutschen" sollte aus dem Kreis der regierenden Fürsten gewählt werden. In der geplanten konstitutionellen Monarchie galt die Ministerverantwortlichkeit. Der Kaiser sollte die üblichen Rechte eines konstitutionellen Monarchen haben: Vertretung nach außen, Kriegserklärung, Friedensschluß, Befehlsgewalt über die bewaffnete Macht, Gnadenrecht, Einberufung des Reichstages. Besonders fällt Paragraph 80 auf: "Der Kaiser hat das Recht des Gesetzesvorschlags."

Einen Tag nach der Verabschiedung der Verfassung wählte die Nationalversammlung den (erblichen) "Kaiser der Deutschen"'. König Friedrich Wilhelm IV.(1795-1861, Thronbesteigung 1840). Die Mehrheit überzeugte nicht; denn 290 Ja-Stimmen standen 248 Enthaltungen gegenüber. Die Enthaltungen kamen nun beileibe nicht von den radikalen Republikanern (einer kleinen Minderheit), sondern von den großdeutsch Gesinnten (besonders von den Österreichern, Deutsch-Böhmen und vielen Süddeutschen). Der Präsident der Nationalversammlung, Eduard Simson, stand am 3. April 1849 mit 32 Kollegen vor Friedrich Wilhelm IV. und bot ihm die Kaiserkrone an. Friedrich Wilhelm IV. lehnte einige Tage später ab. Dabei gebrauchte er ungute Worte, hatte aber zwingende realpolitische Gründe. Keine ausländische Macht (mit Ausnahme der fernen und schwachen Vereinigten Staaten von Amerika) hatte die Zentralgewalt in Frankfurt am Main anerkannt. Die neue kleindeutsche Großmacht (etwa im Umfang des Kaiserreichs von 1871) hätte sofort in Konflikte mit allen europäischen Großmächten gestanden. Weder Österreich, noch Frankreich, England oder Rußland hätten das neue Reich anerkannt, sondern hätten es mit Krieg überzogen. Das "Reich in der Mitte Europas" wäre schnell wieder von der Bildfläche verschwunden. - Friedrich Wilhelm IV. bestand zu Recht darauf, das seine Mitfürsten das Reich anerkennen müßten. Dazu waren die Könige von Sachsen, Hannover, Würtemberg und Bayern sowie Kaiser Franz Joseph - aber nachdem sie sich vom Schock der Märzrevolution erholt hatten - keineswegs bereit.

Die Ablehnung der Kaiserkrone durch den König von Preußen führte das schnelle Ende der Nationalversammlung mit herbei. Radikale führten im Sommer 1849 in der Pfalz und in Baden einen revolutionären Krieg, der von Truppen unter dem Kommando des Prinzen Wilhelm von Preußen (1797-1888), Bruder und Nachfolger des kinderlosen Friedrich Wilhelm IV blutig niedergeschlagen wurde. Ein hochinteressanter Mann ist der erwähnte Eduard Simson. Er wurde 1810 in Königsberg (Preußen) von jüdischen Eltern geboren, studierte nach seiner Taufe in Königsberg Jura und brachte es in jungen Jahren zum Professor der Rechtswissenschaft an der heimatlichen Albertus Universität. In die Nationalversammlung gewählt, war er vom Dezember 1848 bis zum Mai 1849 Präsident der Paulskirche. Der liberale Politiker blieb im preußischen Abgeordnetenhaus aktiv und war von Beruf Präsident des Appellationsgerichtshofs in Frankfurt (Oder). Von 1867 bis 1873 war er Präsident des Norddeutschen Reichstages, beziehungsweise ab 1871 erster Präsident des neuen deutschen Reichstages. Schließlich war der große Liberale 1879 bis 1891 erster Präsident des neuen Reichsgerichts in Leipzig. Der 1888 von Kaiser Friedrich III. in den erblichen Adel erhobene starb 1899. Eduard Simson trat an der Spitze einer 32köpfigen Delegation des nach dem (nie in Kraft getretenen) Wahlrecht der Paulskirchenverfassung gewählten Norddeutschen Reichstages am 18. Dezember 1870 vor König Wilhelm I. von Preußen. Er bat ihn im Namen der demokratisch gewählten Vertretung aller nördlich der Mainlinie lebenden Deutschen um die Annahme der Kaiserkrone. Wilhelm I. war über diese Delegation, die er nicht im Schloß von Versailles (es diente als Lazarett), sondern in der dortigen Präfektur, die er bewohnte, empfing, so glücklich, daß er dem damaligen Bundeskanzler Otto v. Bismarck "in dankbarster Anerkennung" des 18. Dezember 1870 das Eiserne Kreuz 1. Klasse verlieh. Simson war keineswegs der erste 1848er, der das neue Kaiserreich begeistert begrüßte. Vielmehr haben alle prominenten 48er - mit Ausnahme von Karl Marx und Friedrich Engels - das Reich nachdrücklich bejaht. Viele sind bewußt in seine Dienste getreten. Carl Schurz kam aus Amerika angereist, um Bismarck zu huldigen.

Das Reich von 1871 erhält seine Legitimation auch von der kaiserlichen Verfassung der Paulskirche. Wir haben es (nur der Augenschein des Bildes der Kaiserproklamation von 1871 spricht eine andere Sprache) beim Reich von 1871 mit einer Reichsgründung von oben (Monarchen und Regierungen) und mit einer Reichsgründung von unten (der norddeutsche Reichstag und die Landtage in München, Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt) zu tun.

Das Deutschland von 1871 (Ernst Engelberg nennt es "das Reich in der Mitte Europas") wird legitimiert von der Revolution 1848 und der genialen Politik Preußens unter Bismarck. Das Deutschland von 1990 wird legitimiert von der Revolution 1989190 und der genialen Politik der Bundesregierung. Das heutige Deutschland mit Berlin als Hauptstadt baut auf dem Kaiserreich von 1871 auf. Wenn der schwäbische Dichter (übrigens Verfechter eines Wahl-Kaisertums) Ludwig Uhland in der Paulskirche sagte: "Es wird kein Haupt über Deutschland glänzen, das nicht mit einem vollen Tropfen demokratischen Öls gesalbt ist", so hatte er recht. Wir möchten ergänzen und dabei den Ton auf "glänzen" legen: Es wird kein Haupt über Deutschland glänzen, das nicht mit einem vollen Tropfen monarchischen Öls gesalbt ist. Die Tradition von 1848 ist monarchisch und demokratisch. Das Reich von 1871 war im Übergang zur parlamentarischen Monarchie. Als Royalist und Demokrat wünsche ich mir ein demokratische Monarchie für unser Vaterland.

Prof. Dr. W. Stribrny